Zum Inhalt [I]
Zur Navigation [N]
Kontakt [C] Aktuelles [2] Suchfunktion [4]

Handeln aus dem Geist des Friedens und der Versöhnung

18. Mrz 2008

Am 3. April 2008 feiert die deutsche Sektion von pax christi den 60. Jahrestag ihrer Gründung in Kevelaer. Dieser Schritt war 1948 ein Zeichen der beginnenden deutsch-französischen Annäherung, ein Zeichen der aktiven Hoffnung auf Frieden und Versöhnung nach Zeiten von Krieg und Zerstörung, Rache und Hass, Verdrängung und Verschweigen. Aus diesem An…

I. Wir erinnern unsere Geschichte

Noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzten Frau Martha Dortel-Claudot, Bischof Pierre-Marie Théas und weitere Katholiken in Frankreich mit der Vergebungsbitte für die Schuld Deutschlands ein erstes Zeichen und reichten Deutschland die Hand der Versöhnung. Damit legten sie den Grundstein für eine internationale Bewegung, die 1945 den Namen pax christi annahm. Diese Bewegung für Frieden und Versöhnung unternahm erste Pilgerfahrten nach Lourdes und Vézelay und überschritt mit dem internationalen Kongress im April 1948 in Kevelaer die Grenzen zwischen Frankreich und Deutschland. Das Aachener Friedenskreuz wurde zum Symbol für Schuldbekenntnis, Vergebung und Versöhnung. Es begleitete Pilger für den Frieden anfangs im Bistum Aachen und weiter auf den ersten inter-nationalen Routen nach Assisi und Rom. Mitglieder des während der NS-Herrschaft unterdrückten Friedensbundes deutscher Katholiken traten pax christi bei. 1952 wurde pax christi von Papst Pius XII. als katholische Friedensbewegung anerkannt.

Die deutsche Sektion von pax christi beschritt ihren Weg nach dem Leitwort der internationalen Bewegung: „Studium – Aktion – Gebet“. Ihre Pilgerfahrten als Zeichen der Sühne für deutsche Schuld führten zunächst 1957 nach Ascq und 1963 nach Oradour in Frankreich, dann 1964 nach Auschwitz in Polen, im gleichen Jahr nach Israel und später in die Sowjetunion. An der Versöhnung zwischen Polen und Deutschen hatte pax christi wesentlich Anteil; aus dieser Arbeit ging das Maximilian-Kolbe-Werk hervor. Mit einer Spendenkampagne für die Hungernden in der Welt gab pax christi den Anstoß für die Gründung des Hilfswerks Misereor (1958) und verwies damit auf den unmittelbaren Zusammenhang von Frieden und Gerechtigkeit. In der Enzyklika Pacem in Terris erkannte die pax christi-Bewegung wesentlich ihr Programm der 60er, 70er und 80er Jahre: die Überwindung der Gegensätze und Fronten militärischer Blöcke und politischer Machtsysteme. Friedensforschung, Friedenser-ziehung und Proteste gegen Kriege und Militärdiktaturen führten die Mitglieder – getragen von Glauben und Frömmigkeit – zu politischem Handeln. In der Konstitution Gaudium et Spes des II. Vatikanischen Konzils fanden sie ihr theologisches Programm. Mit dem Beschluss der Würzburger Synode zu Entwicklung und Frieden wurden Kriegsdienstverweige-rung und Friedensarbeit 1973 auch kirchlich anerkannt.

Die Zuspitzung der Blockkonfrontation in den 80er Jahren in Europa forderte auch die deutsche pax christi-Sektion zu besonderem Engagement für Abrüstung, Sicherheit und Frieden heraus. Die vorrangige Option für die Gewaltfreiheit und der Einsatz für Menschenrechte sind seitdem maßgebliche Leitlinien der Arbeit. In der Nord-Süd-Perspektive wird die Solidarität mit den Armen ausdrücklich als zentrales Anliegen gesehen, ebenso die Lösungssuche für den Konflikt zwischen Israel und Palästina. Erinnerung als Vergewisserung über eigene und fremde Geschichte ist als Grundlage der Versöhnung bleibender Anspruch von pax christi und führt zur Wahrnehmung der jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens.

Angesichts der Veränderungen in Deutschland und ganz Europa sah die deutsche Sektion von pax christi in den 90er Jahren neue Möglichkeiten, mit der Gestaltung eines Zivilen Friedensdienstes Beiträge zur Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und -nachsorge zu leisten. Aber auch die Erfahrung neuer Kriege und weltweiter Flüchtlingsbewegungen führten zu einer Neubestimmung der Arbeit, die durch das katholische Bischofswort „Gerechter Friede“ im Jahre 2000 unterstützt und verstärkt wurde. Seit dem 11. September 2001 ist die Forderung Dialog statt Krieg gegen den Terror eine entscheidende Botschaft der inzwischen weltweit verbreiteten pax christi-Bewegung.

II. Wir bekräftigen unser Engagement

„Pax Christi“ – der Friede Christi ist die bleibende Hoffnung und Vision der Arbeit unserer Bewegung. Aus der Erfahrung, dass Versöhnung eine politische und religiöse Kraft ist, können wir heute schöpfen:

Es ist möglich, nicht Rache zu nehmen, sondern Vergebung zu gewähren.

Es ist möglich, Schuld nicht zu verdrängen, sondern einzugestehen und um Versöhnung und Neuanfang zu ringen.

Und: Es ist nötig, die Würde aller Menschen zu achten und zu schützen.

Als christliche Friedensbewegung nährt uns die biblische Botschaft vom Reich Gottes: Gerechtigkeit und Frieden. Inspiriert vom Evangelium Jesu Christi stellen wir uns in den Dienst am Frieden. Jesus Christus preist die selig, die Frieden stiften. Er schenkt die Kraft, an seinem Reich der Liebe und des Friedens mitzuwirken, um der Welt zunehmend Strukturen des Friedens einzuprägen.

Wir wollen in Gesellschaft und Kirche die Bereitschaft und Fähigkeit stärken, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Wir wollen dazu ermutigen, Visionen und konkrete Schritte des Friedens zu entwickeln. Wir wollen Mechanismen und Denkweisen entlarven und überwinden, die Kriege hervorbringen. Wir wollen Schritte zu einer weltweiten Gerechtigkeit gehen. In der Nachfolge Jesu stellen wir uns an die Seite der Opfer von Gewalt und Unrecht und arbeiten daran mit, dass die Würde aller Menschen durch Rechte, Gesetze und Strukturen geschützt wird.

Wir widersetzen uns jedem Missbrauch von Religion zur Rechtfertigung von Gewalt, Unter-drückung und Diskriminierung von Menschen. Wir stärken vielmehr die Frieden fördernde Kraft der Religion und pflegen den interreligiösen Dialog. In der Achtung vor dem Anderssein anderer Religionen sucht unsere Bewegung die Zusammenarbeit mit allen Menschen, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einsetzen.

III. Wir erneuern unsere Verpflichtung

Die Friedensarbeit von pax christi hatte in jeder Dekade ein eigenes Profil.
Heute lautet unsere Zeitansage – angesichts der katastrophalen Entwicklungen in Afghanis-tan und im Irak und der bedrohlichen Szenarien gegenüber dem Iran – zugespitzt: Dialog statt „Krieg gegen den Terror!“ Während unseres Kongresses zu diesem Thema Anfang April 2008 beleuchten wir die gefährlichen Implikationen einer militarisierten Sicherheitspolitik und zeigen das Gegenmodell auf: Verständigung und fairen Interessensausgleich.

Die Aufgaben der Erinnerung und Versöhnung, der Gewaltüberwindung, des Dialogs zwi-schen Generationen, Kulturen und Religionen bleiben uns – auch 60 Jahre nach unserer Gründung. Heute erneuern wir unsere Verpflichtung, dem Frieden zu dienen. Dazu fordern uns die gegenwärtigen Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt heraus.

Wir beobachten sowohl in unserer Gesellschaft als auch in der internationalen Politik zerstörerische Gewalt. Menschen ohne Anerkennung ihrer Person und ohne Perspektive lassen sich von extremistischen Parolen ansprechen oder greifen zur Gewalt.
Fundamentalistische Strömungen in allen Religionen fördern Hass und Gewalt und vertiefen politische und kulturelle Spannungen. Ressentiments und Vorurteile verfestigen und verstärken sich. Konflikte zwischen Völkern und Nationen, z.B. auf dem Balkan, im Nahen und Mittleren Osten oder in Zentralafrika, bleiben ungelöst oder eskalieren gar. Aus ökonomischen und geostrategischen Interessen verfolgen die alten und neuen Großmächte aggressive Strategien.

Wir fordern den Ausbau der zivilen Konfliktbearbeitung, national und international.

Wir tragen mit unseren Friedens- und Freiwilligendiensten dazu bei und unterstützen Versöhnungsinitiativen in Kriegsregionen durch die Gründung von Friedenszentren und die Förderung der Zivilgesellschaft.

Wir beobachten Tendenzen zu einem Kapitalismus, der sich aller Schranken und Regelungen entledigt. Die Globalisierung wirtschaftlicher Beziehungen verursacht und verschärft Konflikte. Ein oftmals ungehemmtes Profitstreben internationaler Konzerne nimmt die Ausgren-zung von Armen und Schwachen in Kauf und geht zu ihren Lasten. Die andauernde Gewalt gegen die Schöpfung im Namen des Fortschritts verursacht Umweltzerstörung und Artensterben; sie gefährdet die Lebensgrundlagen der Men-schen.

Wir fordern eine soziale Globalisierung, die Achtung der Menschenwürde aller und eine Poli-tik, die für gerechten sozialen Ausgleich sorgt und die Ressourcen schont.

Wir tragen selbst dazu bei, indem wir unseren Lebensstil verändern und uns für Alternativen zu den herrschenden wirtschaftlichen Strukturen einsetzen. Auch entwickeln und unterstützen wir Projekte der internationalen Solidarität, z.B. mit unseren Partnern in Kolumbien, auf den Philippinen, im Kongo und in Israel und Palästina.

Zu unserer vielfältigen Friedensarbeit tragen die Menschen und Gruppen in pax christi jeweils das Ihre bei. Gemeinsam sind wir bewegt vom Frieden und dankbar für die Erfahrungen, wie auf so verschiedene Weise Frieden wachsen kann. Wir bestärken einander in der Hoffnung, dass er Schritt für Schritt weiter wächst. Gemeinsam feiern wir Feste, Begegnun-gen und Gottesdienste im Glauben an Jesus Christus, der unser Friede ist.

Bad Vilbel, den 18. März 2008